Freitag, 3. Mai 2013

volle Dröhnung kurz vor Schluss

Kurz vor dem Ende meiner Reise kam heute noch einmal die volle Dröhnung Sicilia. Hitze und frühlingshafte Natur, türkisfarbenes Wasser und rauhe Berge, alte Kultur und sizilianische Gastronomie, 83km einsame Strecke und über 1570 Höhenmetern. Ein wenig habe ich beim Fahrradpacken schon die andern Gäste des Hotels beneidet, die gerade bei Sonne und blauem Himmel mit Blick auf das Meer und die markante Felsformation in San Vito Lo Capo ihr Frühstück zu sich nahmen. Noch einen Tag hier statt den letzten in Palermo zu verbringen wäre sicher nicht schlecht gewesen.
Die Fahrt durch den Zingaro Nationalpark fiel ja aus, weil Fahrräder dort nicht erlaubt sind. Um nicht denselben verkehrsreichen Weg wieder zurückfahren zu müssen, entschloss ich mich, nach etwas über 10 km die SP16 zu verlassen und eine kleine Straße nach links hochzufahren. Es ging immer an der Grenze des Zingaro NP entlang, und die Sonne setzte mir unerbittlich zu, so dass ich öfters Pause machen oder schieben musste. Ich wunderte mich nur, warum ich wirklich kein einziges Fahrzeug und keinen Menschen dort erblickte, und mir schwante schon ein übles Ende in Form eines Zauns oder Gitters. Von Meereshöhe auf 600m ging es hoch, dann konnte ich auf die andere Seite zum Meer bei Scopello sehen. Die ganze Region ist Karstgebirge, ohne richtige Bäume mit niedriger Vegetation. Überall hörte ich das Glockengeläute der Schafe, und bizarre Felsformation sahen einfach toll aus. Warum sonst keiner hier fuhr, wurde mir beim Weg nach unten klar. Statt Straße gab es einen mit Felsbrocken übersäten Weg steil abwärts, so dass ich mein beladenes Rad meistens schieben musste. Wenn ich es dann doch mal auf dem Rad versuchte, machte ich bei jedem Bremsversuch fast eine Bauchlandung. Gegen Mittag, also 3 Stunden nach der Abfahrt, hatte ich die Straße unten wieder erreicht, der Tacho zeigte aber erst 27 km an.
Ich hätte jetzt gleich Richtung Meer fahren können, aber ich wollte das kulturelle Highlight Segesta nicht verpassen. Also ging es in einem großen Bogen zuerst ein kurzes Stück die SS187 entlang, dann immer aufwärts auf einer einsamen Straße die SP57. Überall blühte es, Schafe, Kühe und Pferde grasten, es roch nach verschiedenen Pflanzen, einfach gut. Die Hitze heute machte mir aber echt zu schaffen, der Schweiß floss schneller als ich trinken konnte. In unregelmäßigen Abständen gab es mal eine Wasserstelle; das Wasser kann man zwar nicht trinken, aber ich zog das Trikot aus und spritzte mir mit der Wasserflasche das kalte Nass über den Kopf und den Oberkörper. Herrlich! Durch eines der wenigen Waldgebiete hier - den Bosco Scorace - ging es dann abwärts nach Segesta, das ich gegen 14 Uhr erreichte.
Zusammen mit Erice - da war ich ja gestern - gehörte Segesta zu den wichtigen Zentren der Elymer auf Sizilien. Nach dem Geschichtsschreiber Thukydides waren die Elymer Nachkommen der Trojaner, die mit Aeneas geflüchtet waren. Andere behaupten, sie stammten vom italienischen Festland. Jedenfalls lagen sie seit dem 6.Jh.v.Chr. in ständigen Auseinandersetzungen  mit Selinunt und bedienten sich unterschiedlicher Bündnispartner. Mal waren es die Karthager, mal die Athener, dann die Römer.
Angeblich gaukelte Segesta mit dem Bau des dorischen Tempels um 420 v.Chr. Reichtum vor, den es nicht besaß. Jedenfalls fehlt der eigentliche Tempelbau, die Cella. Vielleicht wurde der Tempel auch einfach nicht fertiggestellt, denn die Säulen enthalten noch die mehrere Zentimeter dicke Schutzschicht , die erst bei Fertigstellung abgeschlagen und mit Kanneluren verziert wurde. Auch sind noch die typischen Steinnasen an den Stufen der Sockeln, die man zur Befestigung von Seilen brauchte und die später abgeschlagen wurden. Wie auch immer, neben dem Concordia-Tempel aus Agrigunt ist dies der am besten erhaltene griechische Tempel auf Sizilien, was er seiner völlig isolierten Lage verdankt. Denn niemand brauchte in dieser Gegend Steine, so dass die 36 dorischen Säulen bis heute die Gegend beherrschen.
Der zweite Besichtigungsgrund in Segesta ist das Theater aus dem 3.Jh.v.Chr., als Segesta römische Legionärsstadt war. Leider kann man nicht mit dem Fahrrad auf den Monte Barbaro hochfahren, auf dem das Teatro und die antike Stadt liegen. Da ich mir eine Busfahrt nicht antun wollte, marschierte ich wie viele zu Fuß nach oben. Bei der Hitze dauerte es eine halbe Stunde, dann stand ich in dem etwa 4000 Menschen fassenden Theater von Segesta und blickte grandios auf den blauen Golf von Castellammare. Einziger Wermutstropfen die weithin sichtbare Autobahn. Hier werden übrigens im Sommer antike Dramen aufgeführt.
Wieder beim Rad, gab es in den ganzen Touri-Shops kein Magnum-Eis zum Abkühlen. Ok, dann musste halt Wasser herhalten aus der Trinkflasche mit bestimmt 38°C. Da es erst mal abwärts ging, übernahm der Fahrtwind die Kühlung. Noch etwa 10 km bis Balestrate, da ahnte ich schon, was kommt. Warum einfach zum Meer runterdüsen, nein, da setzen wir doch noch eine Stadt davor, Alcamo, und da muss dann erst mal jeder hoch. Dieser letzte Anstieg für heute fiel mir echt schwer, aber irgendwann hatte ich es geschafft und rollte auf der kleinen SP6 nach Balestrate. Das B&B Casa Ruffino ist zwar 50% teurer als die bisherigen Unterkünfte, aber die Zimmer und die ganzen Räumlichkeiten sind sehr schön mit hohen Decken und altem Mobiliar. Zum Essen gab der Wirt  mir den Tipp, doch zu Geronimo zu gehen, und das war schon mal eine gute Empfehlung. Ich bestellte einen gemischten Salat und Fischplatte, und es kamen 3 riesige Scampis und jede Menge Tintenfisch, das passte irgendwie zum heutigen Tag. Die Rechnung waren nachher 20,50 Euro, und als ich im einen Fünfziger gab, gab er mir 30 zurück und wollte partout kein Trinkgeld. Stattdessen verabschiedete er mich dann mit Handschlag. Eine guter Tag auf Sizilien heute, der mir dank Sonnenbrand noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
herrliches Wasser bei Macari


mein Spezialweg im Karstgebirge


bei uns wird es jetzt gelb , hier herrschen die roten Töne vor

Schafe mit ihren Glocken sind überall

der Tempel von Segesta


die Steinnasen für den Transport der Steine


36 dorische Säulen in vollkommener Symmetrie


das Theater konnte 4000 Menschen aufnehmen

gegen das Auto kommt hier niemand an


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