Samstag, 27. April 2013

Personalausweis liegenlassen

Am 27.April hat die Mutter meiner Kinder Geburtstag, und eigentlich wollte ich ihr abends vom B&B aus meine Geburtstagswünsche zukommen lassen. Aber natürlich geht die Verbindung hier nicht, obwohl der Schuppen in Canicatti sich sonst als modern ausgibt. Aber meine Exfrau wird es verschmerzen können, viel schlimmer ist, dass ich beim Einchecken festgestellt habe, dass der Mann an der Rezeption in Piazza Armerina mir zwar das Geld abgenommen hat und dafür eine Quittung ausgestellt hat, daß er mir aber das Wichtigste nicht zurückgegeben hat, nämlich meinen Personalausweis. Ich hatte noch am Abend vorher dran gedacht, aber natürlich morgens in der Hektik nur auf das Gepäck und das Fahrrad geachtet. Was nun?
Frühstück gab es im Hotel keines, also fuhr ich gleich los die 4 km zur Villa Romana del Casale. Bei mehreren Grabungen kamen insgesamt Mosaike in einer Fläche von mehr als 3500 qm zum Vorschein, die ins 4.Jh.n.Chr. datiert werden konnten. Stil und Arbeitstechnik verraten nordafrikanische Einflüsse, der gute Erhaltungszustand ist auf Erdrutsche und Schlammlawinen zurückzuführen. Bauherr war möglicherweise Proculus Popolonius, der unter Kaiser Konstantin sowohl in den afrikanischen Provinzen als auch auf Sizilien höchste Ämter innehatte.
Ich fuhr gleich am Parkplatz und den vielen meist noch geschlossenen Verkaufsläden vorbei bis zur Kasse und stellte mein Rad hinter einem Schmucklädchen ab. Für den Eintritt wollten sie diesmal 10 Euro, die haben sich aber wirklich gelohnt. Photographieren war verboten, aber da sich niemand dran hielt, habe ich auch ein paar Aufnahmen gemacht. Das Haus ist wirklich riesig, und in jedem der vielen Zimmer und Räume sind Mosaike ausgelegt. Besonders beeindruckend das Ambulacrum, eine Wandelhalle mit Motiven der großen Jagd, das Triclinium (Speisesaal) mit Szenen aus den Zwölf Taten des Herakles, und natürlich auch das Zimmer mit den Bikini-Mädchen, das 10 junge Mädchen in bikiniähnlicher Bekleidung zeigt und für den Ruhm der Ausgrabungen gesorgt hat. Andere Mosaiken wie die in Knossos sind wesentlich älter, aber die Dimensionen der Villa Casale sind wirklich beeindruckend. Ein Muss für Jeden, der in der Nähe ist. Als ich rauskam, standen die Besucher schon an der Kasse Schlange und eine Verkehrspolizistin ließ keine Fahrzeuge mehr durch.

Auf dem Weg nach Barrafranca kam mir ein älteres holländisches Pärchen auf ihren Rädern entgegen. Sie waren vor einer Woche in Palermo gelandet und wollten bis nach Bozen oder Mailand mit den Rädern fahren und dann den Zug oder einen günstigen Flug nehmen. Als Zeit insgesamt hatten sie 2 Monate ins Auge gefasst, das nenne ich Urlaub! Die Beiden waren sehr nett, endlich mal eine kurze, aber wohltuende Unterhaltung. Bis Barrafranca ging es auf einer ruhigen Strasse sehr schön durch die Kornkammer Siziliens, eine hügelige, aber überall grüne Landschaft. Als ich dort auf meine Karte schaute, kam ein langhaariger Harleyfahrer mit seiner Maschine gleich hinter mir her und fragte mich, ob er mir helfen könne. Das fing ja heute wirklich gut an. Zur Feier des Tages gönnte ich mir dann gleich noch ein Eis, bevor ich auf die kleine Strasse nach Riesi bzw. Pietraperzia einbog. Hier fand ich das Bergland in Sizilien, das ich mir gewünscht hatte. Selten mal ein Auto, Schafs- und Ziegen-Herden oft mit ihrem Hüter hoch zu Pferde, Frühlingsblumen entlang der Strasse und grüne Hügel. Ich legte eine Mittagspause ein mit Mortadella und Brot und genoß einfach die himmlische Ruhe. Irgendwann ging es dann links nach Riesi, und plötzlich hatte ich die SS626 an der falschen Stelle unterquert und war schon einige Kilometer falsch den Berg hoch unterwegs. Macht ja nichts, ich hatte ja Zeit. Also alles wieder runter, wieder unter der SS626 durch und hinter dem Fluss links abgebogen, jetzt war ich richtig. Das solche auf der ADAC-Karte eingezeichneten Strässchen dann auch mal Schotter- oder Wirtschaftswege sein können, wusste ich ja schon. Es ging dann an der richtigen Stelle über die SS626, und dann ... nicht mehr weiter. Hinter dem Vorgänger der SS626, den die italienischen Konstrukteure einfach auf seinen Stelzen stehen und verrotten lassen, war ein Fluss , der Fiume Salso.Und über den kam ich nicht drüber. Eine eingestürzte Brücke war das Ende, ich konnte drüben die SP32 nach Sommatino sehen, die ich fahren wollte, aber nicht dahin gelangen.Natürlich suchte ich den Flusslauf rechts und links ab, aber es gab keine Möglichkeit, außer alles durchs Wasser zu tragen. So entschied ich mich dann doch für den Umweg über Riesi. Die Sonne brannte heute endlich wieder herunter, und jeder Ort liegt hier auf der Bergspitze. Mir floss der Schweiss in Strömen, aber nach Riesi ging es zum Glück wieder abwärts auf der SS190. Um dann nach Sommatino wieder kräftig anzusteigen. Dort angelangt besuchte ich die nächste Bar, Geschäfte haben ja erst ab 17 Uhr wieder offen. 3 Getränke hintereinander, der Wirt konnte es kaum fassen, aber er erzählte mir dann, dass er mal einige Jahre bei Bad Homburg eine Pizzeria betrieben und in Wehrheim gewohnt hätte. "Zahlen bitte", viele Worte deutsch konnte er nicht mehr, war aber auch schon 30 Jahre her.
Nach Delia ging es dann erst wieder runter, um anschließend den Ort oben zu erreichen, und bei meinem Ziel Canicatti war es nicht anders. Ich ging gleich noch einkaufen, es war schon 18:30 Uhr, und steuerte dann das B&B Beatus an. Als ich zum Checkin meinen Ausweis abgeben wollte, war er nicht da. Klar, der war ja in Piazza Armerina. Ein Anruf dort brachte das Ergebnis, dass sie ihn wegen des Sonntags morgen nicht schicken können, wenn, dann erst am Montag, und dann dauerte es sicher ein paar Tage. Aber wohin soll ich den schicken lassen? Nach Hause? Komme ich ohne Personalausweis in den Flieger? Ist mir irgendwie zu unsicher. Die Alternative, mit dem unbeladenen Rad schnell noch einmal nach P.Armerina und zurück zu fahren, habe ich angesichts der Steigungen und einer Tagesetappe von dann 190 km gleich gestrichen. Busse nach P.Armerina gibt es morgen um 8:40 Uhr, dann fällt das Frühstück aus, und um 11:40 Uhr, das könnte zeitlich dann schon knapp nach hinten heraus werden. Immerhin muss ich ja noch 34 km nach Agrigento mit dem Rad fahren und hatte mich da für den frühen Nachmittag angekündigt. Umso blöder, dass jetzt hier das Internet nicht geht, ich kann gar nichts machen.  Außer mich in Geduld zu üben, was mir so schwer fällt. Da fehlt mir die Leichtigkeit der Südländer, es wird schon werden. Und tatsächlich ist ja alles - im Nachhinein betrachtet - irgendwie geworden und die Probleme haben sich gelöst. Also schreibe ich einfach meinen Blog. Und verfluche den eigenen festen Zeitplan und die Vorbuchungen über Booking.com. Vielleicht wäre es das eine oder andere Mal teurer geworden, aber ich hätte jetzt einfach sagen können, "ok, einfach noch einmal retour nach P.Armerina, und dann übermorgen in einem Rutsch durch bis Agrigent" und einen Tag verloren.
Von der Landschaft war ich heute sehr angetan, von der Villa Casale ebenfalls, nur 85 km bei der Hitze und den vielen Steigungen waren mir zuviel. Ohne den Perso hätte das morgen ein Supertag werden können, nur 34 km und hoffentlich abwärts. So aber wird es stressig.
die Bikini-Mädchen aus dem 4.Jahrhundert nach Christus

Villa Casala bei Piazza Armerina

Villa Casale

Wagenrennen mit Kindern und Vögeln

die Kornkammer Siziliens


noch gut drauf beim Biss in ein Mortadella-Brot

schon leicht zweifelnd, wo wohl dieser Weg zu finden ist


die Brücke ist weg - und damit der Weg nicht mehr möglich


das nicht mehr genutzte Strassengerippe zerfällt von selbst 


Bilderbuchlandschaft

viele Pferde

B&B Beatus in Canicatti

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